Heinz Dieter Pohl erhält Einspieler-Preis

Klagenfurter Sprachwissenschaftler für „Entkrampfung“ ausgezeichnet.

Dem Klagenfurter Sprachwissenschaftler Univ.-Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl wurde am 10. November der Einspielerpreis 2005 verliehen. Er erhält den Preis „für seine wissenschaftliche Arbeit, die sehr viel dazu beigetragen hat, den Blick auf die Kärntner Vergangenheit zu entkrampfen und die Zweisprachigkeit in allen Bereichen als etwas Selbstverständliches anzunehmen“.

Mehr unter:

http://www.kkz.at/einspielerjeva_nagrada_2005.htm

Auszug aus der Laudatio von Janko Zerzer:

… Der im Jahre 1813 in Suetschach geborene Andrej Einspieler war Priester, Gymnasialprofessor, Mitbegründer der Hermagorasbruderschaft, Abgeordneter zum Kärntner Landtag, Mitglied des Klagenfurter Gemeinderates und mehrfacher Zeitungsherausgeber, vor allem des bedeutenden slowenischen Wochenblattes Mir und der deutschsprachigen Stimmen aus Innerösterreich. Er war sein Leben lang ein Mann des Ausgleichs, dessen Hauptanliegen es war, nationale Gegensätze abzubauen, dem Mehrheitsvolk Anliegen und Bedürfnisse der slowenischen Volksgruppe nahe zu bringen und immer wieder darauf hinzuweisen, dass nur Gleichberechtigung und gegenseitige Achtung zu einem friedlichen Miteinander im Lande führen können. Daher schließt auch sein programmatischer Aufsatz „Kärntens Selbständigkeit“ mit dem Aufruf: „Wirken wir in Eintracht und Brüderlichkeit mit vereinten Kräften an der Bildung und dem Wohle des Volkes in unserem Kärntnerlande: dem biederen deutschen Volk und seinen wahrhaft und nach allen Richtungen hin liberalen Vertretern Ehre und Ruhm, Heil und Segen! Aber Anerkennung und Beachtung, Bildung und Fortschritt, Glück und Segen auch den anderen gleichberechtigten Landeskindern, meinen Stammesbrüdern – den Slowenen!“

Aufklärend und im eigentlichsten Sinne friedensstiftend wirkte auch der heuer allzu früh verstorbene mehrfache Rektor der Universität Klagenfurt, Professor Günther Hödl, der im Jahre 1989 den zweiten Einspielerpreis verliehen bekam. Prof. Hödl hat bald nach seiner Berufung nach Klagenfurt in der Volksgruppenfrage ein hochsensibles Gespür für scheinbar nebensächliche, in Wahrheit jedoch eminent wichtige gesellschaftspolitische Probleme entwickelt und mit der nicht immer bedankten Aufgeschlossenheit und Selbstachtung des Wissenschafters klar Stellung bezogen. Nach verschiedentlichen Attacken auch von höchster politischer Seite formulierte er in einem Zeitungskommentar seine Sicht der Dinge und schrieb unter anderem: „Indes ist für die Universität, die sich dem Engagement für die Probleme ihres Umlandes ganz verpflichtet fühlt, die Frage des friedlichen und auf gegenseitiger Toleranz beruhenden Zusammenlebens der in Kärnten lebenden Volksgruppen von hoher bildungspolitischer Bedeutung. Daher hat sie ihre wissenschaftlichen Bemühungen eben auch der Lösung dabei auftretender Probleme gewidmet und als politischen Ausgangspunkt dafür eine minderheitenfreundliche Position bezogen, die nach menschlichem Ermessen dem Schwächeren in jedem Falle gebührt.“ In der Dankesrede an Prof. Hödl hieß es dann abschließend: „In unseren Dank seien aber auch seine Mitarbeiter an der Universität für Bildungswissenschaften eingeschlossen und alle jene Vertreter der Wissenschaft, die mit so großem Ernst und Verantwortungsbewusstsein existentielle Fragen einer kleinen Volksgruppe so wichtig nehmen und sich mit so großem Verständnis mit ihnen auseinander setzen.“

Nach Prof. Günther Hödl bekommt den heurigen Einspielerpreis also ein weiterer Vertreter der Universität Klagenfurt, der Sprachwissenschafter Prof. Heinz Dieter Pohl. In der Begründung, die dem einstimmigen Beschluss der Vorstände des Rates der Kärntner Slowenen und des Christlichen Kulturverbandes zugrunde lag, heißt es:
“ Univ.-Prof. Dr. Heinz Dieter Pohl erhält den Einspielerpreis für seine wissenschaftliche Arbeit, die sehr viel dazu beigetragen hat, den Blick auf die Kärntner Vergangenheit zu entkrampfen und die Zweisprachigkeit in allen Bereichen als etwas Selbstverständliches anzunehmen“. Tatsächlich hat sich Prof. Pohl mit seinen einschlägigen Forschungen einen Namen gemacht, der ihn in der Welt der Wissenschaft in die vorderste Linie der Namenforschung stellt und den Bemühungen der Kärntner Slowenen um Anerkennung und Öffentlichmachung ihrer Sprache eine unschätzbare Hilfe leistet. Dass er als gebürtiger Wiener ein so hohes Maß an Sensibilität für die Problematik der öffentlichen Zweisprachigkeit entwickelt hat, mag auf den ersten Blick überraschen, doch wird es wohl so sein, dass ein „Zuagraster“ eher im Stande ist, ein Thema, das die Kärntner Geister seit jeher über alle Maßen erregt, mit der nötigen Distanz und wissenschaftlichen Objektivität zu behandeln. Dafür verdient er unsere volle Anerkennung und unseren Respekt.

Geboren am 6. September 1942 als Sohn des Gymnasialprofessors Heinz Pohl und seiner Gattin Hermine, lebte er bis zum Jahre 1972 in seiner Geburtsstadt Wien. Dort besuchte er das humanistische Gymnasium und studierte an der Universität zunächst Klassische Philologie und Geschichte, dann Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft im Hauptfach sowie Slawische Philologie im Nebenfach. Längere Studienaufenthalte führten ihn nach Zadar, Sarajevo, Zagreb, Ljubljana, Debrecen und an die Universität von St. Petersburg. Im Jahre 1970 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Während des Studiums war er von 1964 bis 1967 halbtags wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für den Donauraum in Wien, von 1967 bis 1970 wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Im Jahre 1972 kam er an die damalige Hochschule für Bildungswissenschaften, heute Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, habilitierte sich im Jahre 1978 auf dem Gebiet der Allgemeinen und Diachronen Sprachwissenschaft und ist seit 1979 ordentlicher Universitätsprofessor …

(vollständige Rede unter obigem Link)

Auszug aus der Dankesrede von Heinz-Dieter Pohl:

… Für eine Volksgruppe bzw. für ein Volk (in der Wissenschaft Ethnie oder Ethnos) stehen als wichtigste Charaktermerkmale nicht anthropologische, sondern eindeutig soziokulturelle Gegebenheiten im Vordergrund. Kultur wird im weitesten Sinn als ein wechselseitiger in sich verflochtener Komplex aus Sprache, Religion, Wertnormen und Bräuchen verstanden, an denen die Angehörigen einer solchen gesellschaftlichen Großgruppe gemeinsam teilhaben. Die Politisierung der Sprache, ausgehend vom nicht immer richtig verstandenen Herder´schen Nationsbegriff „Volk gleicher Zunge, daher Volk gleicher Kultur“, hat dann die modernen (Sprach- bzw. Kultur-) Nationen hervorgebracht und auf Grund sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Vorstellung von einer germanischen/slawischen/romanischen Völkergruppe oder -familie geführt – als Reflex der betreffenden Sprachfamilien.
Viele Länder in Europa sind zwei- oder mehrsprachig, deren Einwohner sprechen zwar verschiedene Sprachen, haben einander aber dennoch verstanden, zumindest immer dann, wenn sie die große Weltpolitik nicht daran gehindert hat. Denn der sprachorientierte Nationalismus mit seiner Politisierung der Sprache hat im 19. Jhdt. Konflikte aufkommen lassen, die es zuvor in dieser Form nicht gab. In Kärnten war es nicht anders, doch Kärnten ist zweisprachig geblieben, ethnische Säuberungen sind im Gegensatz zu anderen Regionen über Anfänge nicht hinausgegangen, doch alle, die davon betroffen waren, haben unermessliches Leid erlitten – egal, welcher Muttersprache sie waren. Weiters kam es zu starken Verschiebungen hinsichtlich des sprachlichen Bekenntnisses der Kärntner Bevölkerung, von einem Drittel Slowenen Mitte des 19. Jhdts. zu den heutigen Verhältnissen. Die Menschen blieben die gleichen, deren Loyalitäten haben sich aber gewandelt – dies konnte auch Familien entzweien.

Wie auch immer die Verteilung der beiden Landessprachen sein mag, Kärnten bietet nach wie vor ein namenkundlich und dialektologisch interessantes Gebiet, wo sich die süddeutsch-bairische und die slowenische Sprache berühren und angenähert haben, und wer könnte wirklich mit letzter Bestimmtheit sagen, was am typisch Kärntnerischen rein „deutsch“ oder „slowenisch“ ist? Erst das Zusammenleben beider Sprachgemeinschaften hat den Kärntner hervorgebracht, wie wir ihn kennen. Substrahierte man eine von beiden, könnte man sich Kärnten, so wie es ist, gar nicht vorstellen – mit all seinen guten und schlechten Seiten.

Kultur wird durch Sprache transportiert. Bei der materiellen Kultur – Bauwerke, Kulturtechniken, bildende Kunst und Musik – steht die Sprache sicher nicht im Vordergrund, doch bei der immateriellen Kultur – Mundart, Namengut, Lieder, Volksdichtung und -bräuche – da ist die Sprache plötzlich in den Mittelpunkt gerückt. Hier zeigen sich zwei verschiedene Kulturen, auch wenn sie einander auf Grund der Nachbarschaft und des gemeinsamen Zusammenlebens sehr ähnlich sind. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem immateriellen Kulturgut trägt wesentlich dazu bei, dass es auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, leider nicht in dem Ausmaß wie die zeitgenössische Eventkultur, aber doch. In den letzten Jahren hat sich die UNESCO dazu entschlossen, dieses immaterielle Kulturerbe als schützenswertes Gut zu bewahren und zu pflegen. Diese Aufgabe kann die Wissenschaft nur unterstützen und Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit als historisch gewachsenen Wert darlegen. Doch der eigentliche Träger dieses immateriellen Kulturerbes ist die jeweilige Sprachgemeinschaft selbst, in dieser Hinsicht hat sich die relativ kleine slowenische Sprachgemeinschaft bewährt und ihren Beitrag zur sprachlichen Vielfalt Europas geleistet. Jede Sprache, ob groß oder klein, ist ein Stück Menschheitsgeschichte und Ausdruck der Vielfalt menschlicher Kultur. Auch im Zeitalter der Globalisierung kann sprachliche Einförmigkeit nicht das Ziel sein…

Na koncu nekatere besede v slovenskem jeziku.
Ena od značilnih lastnosti vseh korošcev – slovenskih in nemških – je spoštovanje tradicije. Skrbno pazijo na svoje narečje, gojijo stare običaje in ljubijo svojo materinščino. Skupno življenje ima na Koroškem več kakor tisočletno tradicijo in sožitje dveh jezikov se izrazito odraža v imenskem zakladu naše zvezne dežele. V zgodovinsko zraslih dvojezičnih predelih ima vsako še tako majhno naselje dvoje imen: v vsakem od obeh jezikov svoje ime, ne glede na izvor imena. Oba jezika, nemški in slovenski (z začetno alpskoslovansko ali karantansko stopnjo), sta koroško imenoslovje trajno oblikovala in vtisnila deželi nezamenljiv pečat (primerljiv je nekako romanski element na Tirolskem in Predarlskem ter v švicarskem kantonu Graubünden).
Nadalje nič čudnega torej, da so se na Koroškem ohranile tudi številne imenitne stare ljudske jedi, ki jih v kuhinjah naše dežele še danes kuhajo v več različicah. Zato spadata oba jezika neločljivo k zgodovinski dediščini te pokrajine in sta tudi del zgodovinsko zrasle koroške identitete v skupni domovini.

(vollständige Rede unter obigem Link)